In unserer Beratungspraxis wird gelegentlich die Bitte an uns herangetragen, in Vorsorgevollmachten oder auch im Testament den „digitalen Nachlass“ zu regeln. Dabei bestehen bei den Beteiligten ein Irrtümer darüber, was überhaupt geregelt werden sollte. Häufig ist schon unklar, was der digitale Nachlass überhaupt umfasst.

Nachdem ich heute Morgen bei heise.de einen Artikel darüber gelesen habe, der den „digitalen Nachlass“ aus technischer Sicht behandelte, möchte ich gern die rechtliche Seite hier beleuchten.

Der allgemeine Grundsatz des deutschen Erbrechtes ist in § 1922 BGB niedergelegt und lautet: „Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über.“ Das bedeutet zunächst einmal, dass Vermögen im positiven Sinne aber auch im negativen Sinne, also Schulden, auf den Erben übergehen. Das Vermögen einer Person beinhaltet sämtliche Rechtspositionen. Das Erbrecht unterscheidet nicht zwischen digitalen und analogen Rechten. Das ist auch nicht notwendig. Denn der „digitale“ Nachlass besteht aus Rechtspositionen gegenüber Dritten. Man denke einmal nur an die Nutzungsverträge, die mit sozialen Medien wie Facebook, Instagram, Twitter, aber auch mit Google, Apple und wie sie alle heißen, abgeschlossen werden. Das sind zunächst einmal ganz normale Verträge.

Von dieser Nachfolge in sämtliche Vermögenspositionen und auch Rechtsverhältnisse mit nichtvermögensrechtlichen Inhalt gibt es nur wenige Ausnahmen: Sie ist möglich bei landwirtschaftlichen Betrieben, bei Mietverhältnissen in Bezug auf den Ehegatten des Verstorbenen und manchmal im Gesellschaftsrecht. Dann geht man von einer Sondererbfolge. Es gibt aber auch Verträge, die mit dem Tod erlöschen. Stirbt ein Arbeitnehmer, endet das Arbeitsverhältnis. Die Vergütungsansprüche stehen allerdings dann den Erben zu.

Diese Ausnahmen greifen bei digitalen Rechtspositionen aber nicht. Denn dazu fehlen gesetzliche Regelungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes („Facebook-Urteil“ vom 11.7.2018, III ZR 183/17) werden Nutzungsverträge über Rechte und Pflichten im Internet genauso behandelt wie andere Verträge, für die keine Sonderregeln bestehen. Durch Allgemeine Geschäftsbedingungen können die Regelungen des deutschen Erbrechtes nicht ausgehebelt werden.

Vorläufiges Ende vom Lied: Ob digitaler oder analoger Nachlass – beide gehen insgesamt auf den Erben über. Dem Erben stehen also sämtliche Rechte aus diesen vom Erblasser abgeschlossenen Verträgen zu. Er darf sich Zugriff zu sämtlichen vom Erblasser unterhaltenen Online-Konten verschaffen: Facebook, Instagram, Google, Apple, Amazon, Wish und was so alles gibt.

Die rechtliche Seite ist also recht einfach zu beurteilen.

Eine größere Herausforderung ist die Frage, wie der Erblasser schon zu Lebzeiten sicherstellen kann, dass sein Erbe die Zugangsdaten im Todesfall kennen lernt. Denn ohne Zugangsdaten ist es höchstwahrscheinlich ausgeschlossen, sich Zugriff auf alle Funktionen des jeweiligen Kontos zu verschaffen.
Die Möglichkeit ist es, sämtliche zur Daten auf einem Zettel zu schreiben, diesen sicher zu verwahren und dem Erben mitzuteilen, wo dieser Zettel verwahrt wird. Aus meiner Sicht ist es allerdings unpraktikabel, da ein Aktualisieren dieses Zettels bei Änderung der Zugangsdaten oder Anlegen eines neuen Kontos verhältnismäßig viel Aufwand erfordert. Außerdem sind handschriftliche Änderungen nicht immer eindeutig, wenn es z.B. und Groß- oder Kleinschreibung von Passwörtern geht.

Etwas einfacher wird es dann, wenn sämtliche Zugangsdaten in einer Datei gespeichert werden, die aktualisiert werden kann. Im Todesfall muss natürlich gewährleistet sein, dass der Erbe diese Datei findet. Sie sollte also immer gleichen Ort gespeichert und regelmäßig gesichert werden. Dies könnte mit einer Nachricht geschehen, die für den Fall des Todes vorbereitet wird und dem Erben zu Lebzeiten übergeben wird.

Dieses System kann verfeinert werden. Bei mir selbst wäre eine solche Papierliste oder auch nur eine Datei an einem bestimmten Ort ausgeschlossen. Wie viele andere Menschen auch, erledige ich viele Dinge mittlerweile mit dem Smartphone oder dem Tablet. Aber auch zu Hause und im Büro steht noch ein normaler PC. Meine Zugangsdaten benötige ich also eigentlich auf allen Geräten.

In solchen Konstellationen bietet sich ein Passwort-Manager an, der auf allen Geräten läuft. Die angelegte Datei kann synchronisiert werden. Der Passwort-Manager ist nur bei Eingabe eines sogenannten Masterpasswortes zu öffnen. Dieses Masterpasswort muss der Erbe im Todesfall natürlich auch kennen. Das kann an sicherer Stelle hinterlegt oder dem mutmaßlichen Erbe zu Lebzeiten schon ausgehändigt werden.

Wenn sich die Person des Erben aber im Laufe der Zeit ändert, ist es notwendig, ein anderes Passwort zu vergeben. Besser wäre es also, sicherzustellen, dass erst im Todesfall der Erbe Kenntnis dieses Maßpasswortes erlangt.

Die Idee der Verbraucherschützer aus dem heise.de-Artikel, die Liste mit den Zugangsdaten im Bankschließfach aufzubewahren, halte ich nur dann für sinnvoll, wenn es einen Bevollmächtigten gibt, dessen Vollmacht die Bank auch im Todesfall noch akzeptiert. Denn ansonsten benötigte er habe erst einen Erbschein, damit er an die Zugangsdaten gelangt. Dies dauert aber erfahrungsgemäß mehrere Wochen, sodass zu diesem Zeitpunkt auch durchaus Konten schon inaktiv und nicht wieder herstellbar sein könnten.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass Masterpasswort bei einem Notar zu hinterlegen. Dieser könnte dann konkret angewiesen werden, wem und wann er dieses Masterpasswort auszuhändigen hat. Dabei entstehen Kosten, keine Frage. Diese werden aber sicher nicht allzuhoch sein.

Diese Regelungen gelten aber nur für den Fall, dass jemand verstirbt.

Genauso wichtig ist aus meiner Sicht, dass bereits zu Lebzeiten ein Dritter auch im Internet rechtlich verbindlich handeln kann. In der analogen Welt gibt es dazu die Vorsorgevollmacht. Diese könnte (obwohl sie rechtlich gesehen absolut ausreichend ist für Nutzungsverträge im Internet), um die ausdrückliche Befugnis erweitert werden, sich die digitalen Daten und Kontozugang Daten zu beschaffen. Dies würde die Akzeptanz seitens der Internet Anbieter mutmaßlich erhöhen. Schließlich akzeptieren auch Banken und Sparkassen notariell beurkundete Vorsorgevollmachten im Gegensatz zu (eigentlich auch ausreichenden) lediglich eigenhändig unterzeichneten Vollmachten. Es empfiehlt sich deshalb auch, einen zusätzlichen Text zu Post-und Telekommunikationsangelegenheiten abzunehmen.

Auf gar keinen Fall sollte allerdings das Masterpasswort oder die Zugangsdaten selbst in die Vollmachtsurkunde aufgenommen werden. Diese wird schließlich Dritten vorgelegt. Das gleiche gilt für die Gestaltung von Testamenten. Auch hier sollten in keinem Fall das Masterpasswort oder die Zugangsdaten aufgeführt werden. Bei der Testamentseröffnung wird nämlich eine Kopie durchaus an Leute verschickt, denen man auf gar keinen Fall diese sensiblen Daten mitteilen möchte. Dies könnten z.B. gesetzliche Erben sein, die in dem Testament aber gerade enterbt wurden.

Welche der dargestellten Möglichkeiten gewählt wird, bedarf einer Abwägung der Vor- und Nachteile. Dies kann und sollte mit einem Rechtsanwalt oder Notar beraten werden. Stets muss aber gewährleistet sein, dass der Berechtigte nach dem Tod oder besser noch zu Lebzeiten schnellstmöglich an die Zugangsdaten gelangt. Wenn er sich die Daten erst selbst beschaffen muss, kann wertvolle Zeit verstreichen.